Das Bild zeigt die Arme und Hänce einer Reinigungskraft, die Handschühe tragen und einen Staubsauger führen.

Fragmentierte Arbeitszeiten: Geteilte Dienste in Pflege und Reinigung

Sie prägen den Alltag vieler Buslenker*innen, Reinigungskräfte, Kellner*innen und Pflegenden: geteilte Dienste – eine Arbeitszeitform, bei der der Arbeitstag in mehrere kurze Zeitblöcke unterteilt ist. So arbeiten Büroreiniger*innen beispielsweise oft von 6 bis 9 Uhr morgens und dann nochmals von etwa 16 bis 20 Uhr. Dazwischen liegen mehrere Stunden unbezahlter Zeit. Was bedeutet ein solches Arbeitszeitmodell für das Erwerbs- und Gesamtleben der Beschäftigten? In einem laufenden soziologischen Forschungsprojekt beschäftige ich mich mit der Gestaltung und den Konsequenzen dieser Arbeitszeitform, über die es bislang nur wenig an wissenschaftlichen Befunden gibt. Hier stelle ich ausgewählte Zwischenergebnisse vor.

Was sind geteilte Dienste?

Geteilte Dienste sind insbesondere in Dienstleistungsbranchen eine verbreitete Arbeitszeitform. Sie werden hier genutzt, um schwankendes Arbeitsaufkommen zu organisieren und Kund*innenwünschen entgegenzukommen. Üblich sind sie unter anderem in der Pflege und Betreuung, in der Gebäudereinigung, im Einzelhandel, im Verkehr sowie im Hotel- und Gastgewerbe. Hintergrund für den Einsatz geteilter Dienste sind die breiteren Entwicklungen hin zu einer Fragmentierung und Flexibilisierung von Beschäftigung zur Erhöhung der Effizienz und Kostenersparnis, die seit den 1980er Jahren vorangetrieben werden.

Bei geteilten Diensten wird der Erwerbsarbeitstag in zwei (oder mehrere) kurze Schichten geteilt, mit einer unbezahlten Unterbrechung von einer oder mehreren Stunden. Oft liegen die Schichten an den Tagesrändern, also etwa am frühen Morgen und am späten Nachmittag oder Abend. Geteilte Dienste sind – anders als andere Arbeitszeitthemen – in Deutschland und Österreich  gesellschaftlich kaum diskutiert und einer breiten Öffentlichkeit wenig bekannt.

Das Projekt SPLITWORK: Forschung auf drei Ebenen, in zwei Branchen und drei Staaten

Das Projekt SPLITWORK (Split Shifts and the Fragmentation of Working Lives) ist an der Wirtschaftsuniversität Wien angesiedelt und erforscht diese Arbeitszeitform auf drei Ebenen: auf der Beschäftigtenebene, der Unternehmensebene und der Ebene der gesetzlichen und politischen Regulierung. Die Forschungsfragen werden im Rahmen einer umfassenden qualitativen Studie mithilfe unterschiedlicher Arten von Daten und Methoden empirisch untersucht. Der Fokus liegt dabei auf den beiden feminisierten Dienstleistungsbranchen Reinigung und Pflege sowie auf den drei Staaten Österreich, Norwegen und Schweden.

Forschung mit einem erweiterten Arbeitsbegriff

Theoretisch ist die Forschung in Ansätze zu einem erweiterten Arbeitsbegriff eingebettet, der in der feministischen Theorie entwickelt wurde und in jüngerer Zeit auch in der Nachhaltigkeitsforschung Auftrieb erhält. Ein solcher Ansatz betrachtet nicht nur bezahlte Erwerbsarbeit als Arbeit, sondern auch unbezahlte Haus- und Betreuungsarbeit. Arbeitsforschung, so die Konsequenz für die Forschung, muss daher auch den gesamten Lebenszusammenhang von Beschäftigten in die Betrachtung einbeziehen. Auf die Erwerbsarbeit allein bezogen können Arbeitsbedingungen nicht verstanden werden.

Weder Arbeitszeit noch Freizeit: Die Unterbrechung zwischen zwei Schichten

Ein zentrales Ergebnis der laufenden Forschung bezieht sich auf das Erleben der unbezahlten Unterbrechung zwischen zwei Schichten. Wie die qualitativen Ergebnisse zeigen, wird diese Zeit zwar formal als unbezahlte „Freizeit“ kategorisiert, sie wird von den Beschäftigten aber nicht als freie Zeit erlebt. Was machen die Arbeitnehmenden in dieser Zeit? Wenn sie die Möglichkeit haben, fahren Beschäftigte in dieser Zeit nachhause. Teilweise verrichten sie dort die anfallende unbezahlte Haus- und Betreuungsarbeit. Das gilt insbesondere für Frauen* bzw. Personen mit großer Zuständigkeit für unbezahlte Arbeit. Ihre Gesamtarbeitstage werden dadurch – nimmt man bezahlte und unbezahlte Arbeit zusammen und rechnet auch die Arbeitswege ein – sehr lang und können von 5 Uhr morgens bis 21 Uhr abends dauern.

Reproduktion der Arbeitskraft – Ausruhen für die Abendschicht

Eine andere bedeutsame Tätigkeit in der unbezahlten Unterbrechung ist es, sich zu erholen, um bereit für die Abendschicht zu werden. In diesem Muster dient die Pause also nicht der freien Gestaltung und ziellosen Erholung, sondern sie wird geradezu benötigt, um wiederum für die Erwerbsarbeit zur Verfügung zu stehen. In sehr anstrengenden Tätigkeiten wie der Pflege- und der Reinigungsarbeit erfüllt die unbezahlte Unterbrechung zwischen zwei Schichten dann den Zweck, diese verausgabende Form der Erwerbstätigkeit überhaupt erst zu ermöglichen. Die Erwerbsarbeit vereinnahmt also die unbezahlte Zeit zwischen den Schichten für die Reproduktion der Arbeitskraft in intensivierten Arbeitskontexten.

Tagesarbeitszeiten in der Büroreinigung: Das Beispiel Norwegen

Der Übergang zu Tagesarbeitszeiten in der Reinigungsbranche ist ein anderer wichtiger Ergebnisbereich der Forschung. Kund*innen von Reinigungsunternehmen wünschen sich häufig, dass die Reinigungsarbeit möglichst „unsichtbar“ vor und nach den Arbeitszeiten ihrer eigenen Belegschaft erledigt wird. Störungen durch das Reinigungspersonal sollen vermieden werden. Das übersetzt sich in zerrissene Arbeitszeiten der Reinigungskräfte an den Rändern des Tages, insbesondere in der Büroreinigung.

Aber es geht auch anders: In Norwegen kam es in den letzten Jahrzehnten zu einem weitreichenden Übergang von einstmals verbreiteten geteilten Diensten an den Tagesrändern hin zu einem hohen Anteil an Arbeitszeiten zu den gewöhnlichen Büro- und Geschäftszeiten. Im Projekt SPLITWORK war ein Forschungsaufenthalt in Norwegen der Frage gewidmet, wie dieser Übergang dort gelingen konnte. Am wichtigsten dabei waren eine enge Zusammenarbeit der Sozialpartnerschaft (also der Arbeitgebenden- und Arbeitnehmendenvertretungen) – und zwar unter Einbeziehung der Kund*innen. Dass der öffentliche Sektor mit gutem Beispiel voranging, trug ebenfalls zur Veränderung bei. Mit der Zeit kam es in Norwegen zu einem langsamen, aber tiefgreifenden Kulturwandel. Es wurde nach und nach zum Normalfall, dass Reinigungskräfte und die Mitarbeiter*innen des Kund*innen-Unternehmens zur gleichen Zeit arbeiten. Dadurch sind Reinigungskräfte und ihre Tätigkeit gesellschaftlich sichtbarer geworden.

Fazit: Geteilte Dienste als Beispiel für die Fragmentierung und Intensivierung von Arbeit

Morgens früh aufstehen, abends spät heimkommen, zweimal am Tag für die Arbeit fertigmachen, viermal am Tag den Arbeitsweg fahren: So sieht der Alltag für viele Beschäftigte mit geteilten Diensten aus. Obwohl Arbeitnehmende das Gefühl haben, den ganzen Tag im Einsatz zu sein, kommen sie mit diesen geteilten Diensten von oft nur wenigen Stunden pro Schicht häufig nicht einmal auf eine Vollzeitstelle. Unfreiwillige Teilzeitarbeit – mit entsprechend niedrigen Löhnen – ist gerade in der Niedriglohnbranche Reinigung in Österreich vergleichsweise verbreitet. Im Thema geteilte Dienste verbinden sich Fragen zu prekären Beschäftigungsbedingungen, atypischen Arbeitszeiten, Intensivierung von Arbeit, Verbindung von bezahlter und unbezahlter Arbeit sowie vergeschlechtlichter Arbeitszuweisung.

Ruhigere Zeiten des Arbeitstages, in denen weniger Nachfrage nach Dienstleistungen besteht, werden von den Arbeitgebenden in unbezahlte Freizeit umgewandelt – die bei geteilten Diensten aber nicht als solche erlebt wird. Die Folgen für die Beschäftigten, so zeigt unsere Forschung, sind vielfältig: Sie reichen von verminderter Erholung und Regeneration über Einschränkungen des Familien- und Soziallebens bis zu Problemen bei der Organisation der Kinderbetreuung, insbesondere für Alleinerziehende. Die Ergebnisse des Projektes werden im wissenschaftlichen Kontext veröffentlicht, fließen aber auch in Öffentlichkeitsarbeit und Austausch mit Interessenvertretungen und politischen Akteur*innen ein.

 

Das Projekt SPLITWORK wird von Karin Sardadvar am Institut für Soziologie und empirische Sozialforschung an der Wirtschaftsuniversität Wien geleitet. Es wird unter Mitarbeit von Cornelia Reiter durchgeführt und vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF (Austrian Science Fund: V-598) finanziert.

 

Karin Sardadvar ist Vertretungsprofessorin im Fachbereich Gender und Globalisierung am Albrecht-Daniel-Thaer-Institut an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie forscht zu den Themen Arbeit und Geschlecht, Care, Dienstleistungsarbeit, nachhaltige Arbeit und zum Verhältnis von bezahlter und unbezahlter Arbeit. Karin Sardadvar hat in Wien, London und Stockholm Soziologie und Sprachen studiert und in Soziologie promoviert. Zuletzt war sie als Senior-Post-doc-Wissenschaftlerin am Institut für Soziologie und empirische Sozialforschung an der Wirtschaftsuniversität Wien in der Lehre und Forschung tätig.

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