Das Bild zeigt den Schreibtisch der Autorin, auf dem unterschiedliche Utensilien wie Bücher und Unterichtsmaterial liegen und ein Computer steht.

#MeinSchreibtisch: Karin Sardadvar

Mein Schreibtisch ist noch im Aufbau. Ich experimentiere noch mit der besten Sitzrichtung, der praktischsten Nutzung, den wichtigsten Gegenständen. Ich bin seit April 2022 an der Humboldt-Universität – und seitdem in Berlin. In den letzten Jahren habe ich vor allem in Wien gearbeitet; der Stadt, in der ich aufgewachsen bin. Schon seit einigen Jahren ist mir Berlin ein lieb gewordenes Reiseziel – rund acht Stunden sind es mit der Bahn. Die Aussicht darauf, ein Jahr hier zu verbringen, hat mich von Anfang an mit Freude erfüllt.

Am Fachgebiet Gender und Globalisierung

Seit April 2022 bin ich für ein Jahr Vertretungsprofessorin am Fachgebiet Gender und Globalisierung an der Lebenswissenschaftlichen Fakultät, in Vertretung von Christine Bauhardt. Das bedeutet für mich aktuell: neue Lehrveranstaltungen konzipieren und halten, den Hausbrauch kennenlernen, meine Forschungs- und Publikationsaktivitäten fortführen, mich neuen interessanten Aufgaben und Themen hier am Fachgebiet widmen. Es bedeutet auch gemeinsame Mittagessen in der Frühlingssonne und Kaffee unter den alten Bäumen am Campus Nord. Bei all dem bin ich in regem Austausch mit dem klugen und herzlichen Team am Fachgebiet, bestehend aus Meike Brückner, Christina Sickert, Suse Brettin und Dounia Biedermann.

Auf meinem Tisch

Auf meinem Schreibtisch findet sich mein Kalender – old school zum In-der-Hand-Halten und Umblättern aus Papier. Ihn habe ich ständig bei mir, um alle Termine zwischen Berlin, Wien und Internet im Griff zu behalten. Auf dem Tisch liegen einige Bücher, die ich im Moment für die Lehre brauche, aber auch für meine Forschung verwende – Gabriele Winkers „Solidarische Care-Ökonomie“ etwa, oder Frigga Haugs „Die Vier-in-einem-Perspektive“. In diesen Büchern geht es darum, Arbeit anders zu denken und sie mit Geschlechtergerechtigkeit und Nachhaltigkeit zu verbinden. Im Fokus steht die Idee, sich gesellschaftlich und wirtschaftlich von einem einseitigen Fokus auf bezahlte Erwerbsarbeit abzuwenden und somit Platz für andere Lebensbereiche zu schaffen: für Care (Sorgearbeit, Betreuung, aber auch Hausarbeit), für gemeinnütziges und politisches Engagement und für die Arbeit an der und für die eigene Person (Entfaltung, Selbstsorge, Eigenarbeit).

Forschungsschwerpunkte: Bezahlte und unbezahlte Arbeit, Care und Reinigung

In meiner Forschung setze ich mich mit dem Verhältnis von bezahlter und unbezahlter Arbeit, aber auch Arbeit und Nicht-Arbeit auseinander, und mit den Arbeitsbedingungen in stark vergeschlechtlichten Arbeitsfeldern – bezahlt wie unbezahlt. Pflege- und Reinigungsarbeit sind zwei solche Bereiche, und auf ihnen liegt mein aktueller Forschungsschwerpunkt. Mein Forschungsprojekt vor meinem Umzug nach Berlin – das Projekt SPLITWORK, angesiedelt an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU Wien) und gefördert vom österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) – widmet sich sogenannten geteilten Diensten in der Büroreinigung und der ambulanten Pflege. Geteilte Dienste sind unterbrochene, fragmentierte Arbeitsschichten. Warum sie eingesetzt werden und wie es den Beschäftigten in ihrem gesamten Lebenszusammenhang mit diesen Arbeitszeiten geht, sind Fragen mit denen sich das Projekt auseinandersetzt. Vorrangig aus diesem breit angelegten Forschungsprojekt, für das ich in Österreich, Schweden und Norwegen geforscht habe, publiziere ich aktuell auch.

Care – das Prinzip des Sorgens und Sich-Kümmerns und das Erbringen von Pflege- und Betreuungsarbeit – zieht sich als langjähriger Schwerpunkt durch meine Arbeit. Über die Jahre habe ich unter anderem zur Aufteilung von Kinderbetreuung und Hausarbeit bei Paaren geforscht, zu unbezahlter Angehörigenpflege durch erwerbstätige Familienmitglieder und Freund:innen sowie zu den Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen in der professionellen Pflege.

Brücken von der Forschung in die Politik und Öffentlichkeit

Ein weiterer Forschungsschwerpunkt in meiner Arbeit – mit dem Care-Bereich eng verbunden – ist Reinigungsarbeit. Fragen rund um die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen in der Gebäudereinigung und die Vergeschlechtlichung von Reinigungsarbeit haben schon seit rund zehn Jahren einen festen Platz in meiner Forschung. Zuletzt habe ich mich mit Veränderungen der Reinigungsarbeit während der Corona-Pandemie befasst.

Wichtig ist mir dabei im Sinne einer Public Sociology, immer wieder auch Brücken von der Forschung zu politischen Akteur:innen, Stakeholdern und Öffentlichkeit zu bauen. So habe ich im vergangenen Jahr mit Kolleg:innen und Kooperationspartner:innen einen intensiven Austausch mit Branchenfachleuten, Arbeitgeber:innenvertretungen und Arbeitnehmer:innenvertretungen in der Gebäudereinigung in Österreich organisiert. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage der Umsetzbarkeit von Tagreinigung anstelle von geteilten Diensten am frühen Morgen und Abend.

Forschungsmethoden und Lehrmaterialien

Ich forsche vor allem empirisch und habe dabei einen starken Schwerpunkt auf qualitative Methoden und interpretative Methodologie. Qualitative Methoden der empirischen Sozialforschung unterrichte ich auch aktuell an der Humboldt-Universität im Rahmen eines Projektseminars. Daneben unterrichte ich hier zum Feld Arbeit und Geschlecht – zu Gender in der globalen Arbeitswelt, zu Gender und nachhaltiger Arbeit und zur vergeschlechtlichten Aufteilung bezahlter und unbezahlter Arbeit. Die Lehre ist aktuell in meinem Arbeitsalltag sehr präsent – darum liegen auch diverse Unterrichtsmaterialien auf meinem Tisch.

Neue Perspektiven

Von meinem Schreibtisch aus sehe ich links auf den Gang hinaus, in Richtung der Räumlichkeiten des Fachgebiets, in Richtung des Teams. Geradeaus sehe ich auf meinen Bildschirm, meine Arbeit. Ich sehe gegenüber zudem auf ein Veranstaltungsplakat des Zentrums für transdisziplinäre Geschlechterforschung (ZtG) , mit dem ich hier zusammenarbeite – auch über diese Kooperation freue ich mich sehr. Blicke ich nach rechts, sehe ich aus dem Fenster auf den grünen Dachgarten des Gebäudes gegenüber und in den Berliner Frühlingshimmel. Ich bin gut angekommen an meinem Schreibtisch.

 

Karin Sardadvar ist Vertretungsprofessorin im Fachbereich Gender und Globalisierung am Albrecht-Daniel-Thaer-Institut an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie forscht zu den Themen Arbeit und Geschlecht, Care, Dienstleistungsarbeit, nachhaltige Arbeit und zum Verhältnis von bezahlter und unbezahlter Arbeit. Karin Sardadvar hat in Wien, London und Stockholm Soziologie und Sprachen studiert und in Soziologie promoviert. Zuletzt war sie als Senior-Post-doc-Wissenschaftlerin am Institut für Soziologie und empirische Sozialforschung an der Wirtschaftsuniversität Wien in der Lehre und Forschung tätig.

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