Schreibtische II

#MeinSchreibtisch: ZtG at Home II

Susanne Weise

Auf meinem Schreibtisch liegt in Zeiten des Coronavirus Vieles brach, muss verschoben, neu geplant, verändert, überdacht und umorganisiert werden: Homeoffice für das ZtG, Masterarbeit und Prüfungsvorbereitung lassen sich nicht ausreichend gut mit Kinderbetreuung vereinbaren. Mein Schreibtisch wird zu einem Ort, den ich gerade jetzt verteidigen will, um einen Raum für mich selbst zu haben, zum Denken und Arbeiten.

Susanne Weises Schreibtisch
Susanne Weises Schreibtisch

Doch wie gerechtfertigt ist dieser Verteidigungsmodus in Zeiten, in denen eine toxisch-männliche Kriegsrhetorik in den Medien selbstverständlich scheint? Zeiten, in denen so viele Menschen nicht einmal mehr ihr Leben verteidigen können gegen Rassismus und Menschenverachtung an den EU-Grenzen. Oder in ihren eigenen vier Wänden gegen lebensgefährliche Brutalität und häusliche Gewalt, ausgeübt hauptsächlich von Cis-Männern, die als Täter noch immer kaum benannt werden. Was passiert in diesen Zeiten des Rückzugs ins Private? Welche altbekannten patriarchalen Mechanismen treten nun wieder deutlich zutage und entlarven die Illusion vom Glück des Privaten, gegen die Feminist*innen seit jeher ankämpfen? Jetzt, da Kinderbetreuung und Unterstützungsangebote allerorten fehlen, zeigt sich, welche Ungleichheit und Unsicherheit, das Private noch immer für viele Frauen und Queers bedeutet und wie viele queer-/feministische Kämpfe noch nötig sind.

Wie wichtig ist es, dass ich meinen Schreibtisch verteidigen möchte gegen die Rufe meines Kindes, des Haushalts und nicht zuletzt gegen meine eigenen Tendenzen, die Bedeutung meines Schreibtisches in diesem Haushalt, in dieser Familie als aufschiebbar zu betrachten? Wäre es nicht viel wichtiger, solidarische Wege der Verteidigung jener Leben zu finden, die momentan verstärkt und mitunter schon viel zu lange existenziell gefährdet sind, nicht nur durch Corona, sondern durch Rassismus, Sexismus, Klassismus, Ableismus, Ageism, Sanism und saturierte Ignoranz? Und wie geht das alles gleichzeitig im Corona-Home-Office, ohne Versammlungsrecht, hier an meinem Schreibtisch mit der schönen Aussicht?

 

Ilona Pache

Homeoffice begann für mich am 16. März.

  • Tag 1: Der Urlaub ist vorbei, beunruhigende Nachrichten aus aller Welt sind per Twitter, Mail und die verschiedenen Messenger-Dienste eingetroffen. Erstmal Emails sichten: Wie positioniert sich die HU, was machen die Kolleg_innen? Einen DFN-Meeting-Raum einrichten.
  • Tag 2: Letzter Besuch im Büro, noch ein paar Unterschriften, Laptop einpacken, Remotedesktopverbindung vorbereiten.
  • Tag 3-5: Erste virtuelle Arbeitsberatung. Präsenznotbetrieb, was wird das sein? Studierende im Ausland nach Hause holen. Studierende aus dem Ausland nach Hause zurücksenden. Prüfungsfristen: beibehalten, verschieben, Sonderregelungen. Technische Turbulenzen: Remotedesktopverbindung bricht dauernd zusammen. Seafile auch unzuverlässig.

    Ilona Paches Schreibtisch
    Ilona Paches Schreibtisch
  • Tag 6-7: Präsenznotbetrieb einrichten, „systemrelevante“ Kolleg_innen benennen.
  • Tag 8-10: Das Lehrangebot im Sommersemester? – Ungewiss! Trotzdem von der Machbarkeit (irgendwie) des Lehrbetriebs ausgehen, letzte Fragen klären, Leistungspunkte aushandeln. Vorbereitung der Lehre nach den Regeln der Präsenzlehre abschließen. Prüfungslisten erstellen, prüfen, versenden; Fristen einhalten; werden die Angaben Gültigkeit behalten?
  • Tag 11: Mails, Mails, Mails. VPN-Zugang zum gemeinsamen Netzwerk: technische Beruhigung.
  • Tag 12: Erste Abfrage zur krisenbedingten Umstellung der Lehre, von der KSBF, Frist 8.4.
  • Tag 13-14: Private Meetings auf Video umstellen. Zweite Befragung zur Umstellung der Lehre Frist 2.4.
  • Tag 15: Videokonferenz zur Lehre: digitale Lehre beraten, Rahmenbedingungen diskutieren, Basis-Szenarios entwickeln, Bedarfe der Studierenden und Lehrenden anmelden, Risiken benennen. Dritte Befragung zur Umstellung der Lehre, die zweite ist hinfällig, Frist 2.4.: Fragen an die Lehrenden; Umstellung auf ein digitales Angebot? Verschiebung in ein späteres Semester? Wo ist die Studierende, die zur Vorbereitung der MA-Arbeit nach Chile gereist ist?
  • Tag 16-19: Offene Fragen klären: Welche Voraussetzungen für das Gelingen digitaler Lehre müssen gegeben sein und sind sie das: Technische Ausstattung (Software und Hardware), Netz-Zugang, Kompetenzen bei Lehrenden und Studierenden? KSBF hat Hardware angeschafft: 10 Headsets für die gesamte Fakultät, wie verteilen? Bei Neubestellung gibt es Lieferengpässe. Video-Konferenzen mit Lehrenden: Ein Moodle zur Unterstützung für die digitale Lehre in den Gender Studies einrichten, kollegialer Austausch. HU schafft Zoom an. Auf Twitter: erste Erfahrungen einer schwarzen Lehrenden mit Zoombombing! Kann die HU das verhindern?
  • Tag 20-21: Wie sicher sind die Tools, auf die wir uns alle privat und at work im Eiltempo umstellen?

 

Bettina Bock von Wülfingen

Zunächst dachte ich, dass Homeoffice für jemand, die in der vorlesungsfreien Zeit als Profin oder sonstige Lehrende ohnehin viel mit der Arbeit zu Hause sitzt, wenig Veränderung bringt. Doch weit gefehlt, das wurde gleich klar, als das Bundesumweltamt in unsere Altbauwohnung einzog, weil mein Wohngenosse eben auch ins Homeoffice katapultiert wurde. Auch wenn er in den Online-Sitzungen mit Kopfhörer eher zu den stilleren Zuhörern gehört, zog ich doch, um der akustischen Ablenkung zu entgehen, für die Lektürearbeiten auf den Balkon – das war idyllisch, aber auch zunächst etwas kühl.

Bettina Bock von Wülfingens Schreibtisch
Bettina Bock von Wülfingens Schreibtisch

Und dann setzt die veränderte Situation viel Enthusiasmus frei, andere dringende berufliche Baustellen liegen zu lassen, die beiden Seminare zur Einführung in Gender Studies in Österreich, die mit mir mitsamt der technischen Einarbeitung ins Arbeiten mit Zoom an mehreren Rechnern und Bildschirmen zugleich bereits begonnen haben, kurz zu vergessen und sich mit dem Thema, das uns alle beschäftigt, natürlich auch theoretisch auseinander zu setzen. Also ist auch rasch das ursprünglich geplante BA-Seminar zu Gemeinschaft in Richtung Pandemie geändert und um eines für Master-Studierende ergänzt, auch um so schnell wie möglich Raum zu schaffen zur Reflektion. Indem ich die Seminare möglichst früh mit dem Schreiben eines Corona-Tagebuchs starten lassen wollte, brachte ich mich in wiederum zwei neue Situationen: einmal der Zweifel – korrumpiert mein Versuch, mit den Studierenden sogar schon vor kollektivem Semesterstart in Kontakt zu treten, die gewerkschaftlichen und anderweitigen Versuche, die Lehrenden (und Studierenden) vor Überlastung zu schützen, die ja erstmal mit der Bewältigung von Homeoffice und Sorge um und für Bekannte und Verwandte schon genug gefordert sind? Die andere neue Situation war die, dass es zu der Zeit, etwa Anfang April, noch keinen Anmeldemodus gab. Wo sonst das Semester gemütlich damit startet, dass man die Studierenden irgendwann nach Ostern im Seminarraum kennen lernt und dorthin den Seminarplan und die Aufgaben mitbringt, bin ich seither täglich mindestens eine Stunde am Emailen mit Bachelor- und Master-Studierenden, die sich für die Seminare melden. Und gut so, denke ich inzwischen.

Übrigens, falls auch andere Lust haben, ab sofort ein Corona-Tagebuch zu schreiben (wie lebe ich damit, was ist mir aufgefallen seither …): bitte gern bei mir (bockvwub@hu-berlin.de) melden, damit ich Dich oder Sie im späten Sommer mit einer Rundmail dazu erreichen kann.

 

Fiona Schmidt

Ohne Corona wäre ich letztes Wochenende aus dem Urlaub in Italien zurückgekommen und wäre mit dem Fahrrad in mein Büro in der Juristischen Fakultät am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien gefahren. – Die Reise habe ich wegen des Coronavirus allerdings gar nicht erst angetreten und meinen Urlaub mit Fahrradtouren in Berlin und dem Umland verbracht. Daneben hatte ich Gelegenheit, mich auf die Zeit im Uni-„Präsenznotbetrieb“ und damit im Home Office vorzubereiten. Nun schlafe, arbeite und verbringe ich Teile meiner Freizeit in meinem Zimmer. Allerdings habe ich das große Glück, in einer wunderbaren WG zu wohnen und daher nicht allein zu Hause zu sein. sowie Für Pausen kann ich in unser gemeinsames Wohn- oder Esszimmer ausweichen.

Fiona Schmidts Schreibtisch
Fiona Schmidts Schreibtisch

Neben der Lehrstuhltätigkeit arbeite ich zwei Tage die Woche an meiner Promotion zu institutionellem Rassismus in polizeilichen Ermittlungen. Die kommenden Wochen möchte ich vor allem zur Auswertung von Material nutzen, das ich in digitaler Form gesammelt habe. Darunter sind beispielweise Berichte der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse zum Nationalsozialistischen Untergrund. So stellt die derzeitige Situation keine komplette Umstellung für mich dar. Dennoch habe ich meinen Arbeitsplatz etwas verschönert und gesünder gestaltet. Mit einer zusätzlichen Tastatur und einem Laptop-Pult sitze ich ergonomisch und entspannter. Außerdem habe ich mir einen Fahrrad-Heimtrainer besorgt, auf dem ich beispielsweise beim Lesen oder wie beim Schreiben dieses Beitrags in Bewegung bleiben kann. Besprechungen mit Kolleginnen finden nun online in Videokonferenzen oder am Telefon statt. Glücklicherweise sieht so niemand, ob ich gerade eine Jogginghose trage…

Das Sommersemester stellt mit der Digitalisierung der Lehre eine Herausforderung für alle Lehrenden dar. Gemeinsam mit Ray Trautwein von der Universität Potsdam werde ich ein Team-Teaching mit dem Titel „Männerbund goes diverse? – Männlichkeit und Rassismus in Bundeswehr und Polizei“ anbieten. Eigentlich hatten wir das Seminar als Blockveranstaltung geplant. Nun werden wir bis zum Beginn der Vorlesungszeit intensiv daran arbeiten, unser Seminar umzustrukturieren und uns digitale Formate für das gemeinsames Arbeiten und den Austausch untereinander zu überlegen. Dabei schaue ich ab und zu auf eine Karte, die an meiner Schreibtischlampe hängt und mir sagt: Du schaffst das!