Ehrlich gesagt, ist mein Schreibtisch in der Regel ein ganz schönes Chaos. Ich arbeite seit Sommer 2019 in der Genderbibliothek des ZtG und lange war es mein Ziel, am Tisch ein System zu etablieren. Eine Ordnung, die jede Situation, jedes Geschehen übersteht und systematisiert.
Vielleicht liegt das an meinem Berufsfeld. Als Bibliothekarin habe ich gelernt, dass Systematiken und Ordnungen wesentlich sind, damit andere Menschen an Informationen gelangen. Aber wer außer mir muss sich an meinem Schreibtisch zurechtfinden? Mir ist bei aller Ordnung genauso wichtig, dass Raum für Kreativität und das Überraschende bleibt.
Kommunizieren
Wenn Personen zu mir kommen, seien es Studierende, Wissenschaftler*innen oder Journalist*innen, dann weiß ich meist vorher nicht, was ihre Anliegen sind. Wollen sie eine konkrete Auskunft zu einem Thema? Ein Buch, eine Transkription eines Interviews oder einen Artikel? Oder stehen sie am Anfang einer langen Recherche, die erstmal ein strukturiertes Gespräch braucht, um herauszufinden, worum es eigentlich geht?
Mein Schreibtisch hat seit ein paar Wochen einen Anbau, einen weiteren Tisch mit zwei Stühlen, die den ganzen Schreibtisch zu einem großen L formen. Als ich gefragt wurde, ob ich nicht einen solchen Platz für Beratungen haben möchte, war ich erst skeptisch. Jetzt weiß ich, wie wertvoll und gewinnbringend diese Anordnung für Gespräche mit Nutzer*innen sein kann. Alle Informationen, die ich für solche Wundertütengespräche brauche, finde ich auf meinem Schreibtisch: Ein Handapparat mit den wesentlichen Publikationen, Neuerscheinungen und natürlich mein Computer.
Aufbereiten
Auf dem Türschild meines Büros steht „Informations- und Dokumentationsstelle“, was meine Tätigkeiten ziemlich gut beschreibt. Die Idee, dass alle Informationen hier gebündelt werden, ist natürlich eine sehr ambitionierte, aber als Utopie auch eine sehr motivierende. Gerade liegen auf meinem Schreibtisch besonders viele Neuerscheinungen, die Wissenschaftler*innen gespendet haben. Aber auch neue Hefte von Zeitschriften stapeln sich hier. Diese Informationen müssen aufgenommen und dann inhaltlich aufbereitet werden, damit sie auch tatsächlich gefunden werden können. Bei dem formalen Arbeitsschritt hilft mir das Gerät rechts neben meinem Schreibtisch – ein Codescanner. Wenn all das abgeschlossen ist, werden die Informationen in den META-Katalog eingespeist, auf den alle im Netz zugreifen können.
Verbreiten
Dass Informationen da sind, ist ja schön und gut, aber was nützen sie, wenn niemand davon weiß? Aus diesem Grund gehört auch die Verbreitung der Information, dass Informationen da sind beziehungsweise wie sie zu finden sind, zu meinen alltäglichen Aufgaben. Einerseits richte ich mich natürlich an potentielle Nutzer*innen, aber auch an den großen Bereich der Wissenschaftskommunikation. Letzterer ist vor allem in den Gender Studies eine besondere Herausforderung.
Was von diesem Schreibtisch aus getwittert wird, ist auf dem Bild natürlich nicht erkennbar, aber auf dem Account @gender_berlin. Hier werden spannende Beiträge aus den Instituten und Forschungsprojekten oder wie in diesem Fall Blogbeiträge geteilt. Ziel ist dabei immer ansprechbar und offen für den Austausch zu sein. Prägend ist der dabei der Gedanke des Aktions- und Wissenschaftstag #4genderstudies, der zwar offiziell nur einmal im Jahr ist, aber in der Utopie doch jeden Tag sein könnte.
Auf meinem Schreibtisch liegt auch eine Mappe für einen dreiteiligen Literaturrecherchekurs für BA- und MA-Studierende der Gender Studies, der in diesem Semester das letzte Mal stattfindet. Planungen, welche Themen in welchem Format im Bereich Information & Dokumentation in Zukunft vermittelt werden sollen, sind schon im vollen Gange. Sie reichen von Open Science bis zu Twitter-Workshops. Um meinem assoziativen Denken freien Lauf zu lassen, notiere ich mir Gedankenblitze, wie Inhalte am besten verbreitet werden können, immer auf dem Whiteboard über meinem Schreibtisch.
Der wichtigste Bestandteil auf meinem Schreibtisch ist und bleibt natürlich der Computer. Hier trifft Analog auf Digital, hier findet Kommunikation statt und Information wird so aufgearbeitet, dass es möglich ist, sie in Wissensprozessen zu verarbeiten. Natürlich habe ich auch Bücher auf meinem Schreibtisch, wichtige Broschüren und Handreichungen. Hinter meinem Stuhl türmen sich die Erscheinungen des ZtG – ab und zu komme ich da immer noch ins Staunen, was in 30 Jahren Frauen- und Geschlechterforschung an der HU als Publikationen alles zusammen gekommen ist. Und zeitgleich freue ich mich auf das, was noch kommt und bin froh, hier am ZtG zu arbeiten. Mein Schreibtisch ist mir dabei eine große Hilfe.
Clara Scholz ist Leiterin der Genderbibliothek am Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien und damit zuständig für alles, was mit Information, Zugänglichkeit und Dokumentation zu tun hat. Ihr Lieblingssatz ist „Bei Fragen gerne fragen“, ihre Leidenschaft Open Science und ihr Antrieb Feminismus. In ihrer Freizeit ist sie vor allem auf Sportplätzen und im Internet anzutreffen.
In unserem Format #MeinSchreibtisch – zu finden unter der Kategorie Personen – geben Mitarbeiter_innen, Mitglieder und Absolvent_innen des Zentrums für transdisziplinäre Geschlechterstudien einen Einblick in ihr Arbeitsumfeld sowie ihre aktuellen Projekte und Aufgaben.