Slidergrafik mit hellgrauem Hintergrund. Links in roter Schrift #4genderstudies, rechts im selben Rotton ein Gummibänder-Ball: Grafik: Marco Lutz, Amelie Menzel, Katrin Frisch (image used by EEPROM Eagle, shared by CC-BY-SA 2.5)

Mehr Gender Studies in den sozialen Medien! Ein Bericht vom Workshop „#4genderstudies: nachhaltige Strategien?!“

Wie lässt sich die Arbeit der Gender Studies und Gender Zentren sichtbar machen und einem größeren Publikum vermitteln? Das ist eine der dringenden Fragen des Wissenschaftstages sowie eines Auswertungs- und Folgeworkshops. Seit zwei Jahren, und in Kürze zum dritten Mal, findet am 18. Dezember der Wissenschaftstag #4genderstudies statt; ein Tag, an dem im gesamten deutschsprachigen Raum Wissenschaftler_innen der Gender Studies – online und offline – zeigen, womit sie sich beschäftigen, um die Diversität und Notwendigkeit der Gender Studies einem größeren Publikum zu vermitteln. Der Wissenschaftstag ist somit eine Antwort auf die zunehmenden Anfeindungen gegen die Gender Studies. Dementsprechend wurde in den sozialen Medien unter dem Hashtag #4genderstudies Stellung bezogen und die Arbeit der Genderzentren und der Genderforschung sichtbar gemacht. Um die Nachhaltigkeit dieses Aktionstages zu untersuchen, lud die FU Berlin am 28. Juni 2019 zum Auswertungsworkshop ein. Dabei ging es darum, die Maßnahmen des Wissenschaftstages zu analysieren und gleichzeitig auch strategisch weiterzudenken: nicht nur in Hinblick auf den nächsten Wissenschaftstag, sondern auch allgemein, was die Verbesserung der Social-Media-Strategien und die Vernetzung der Genderzentren angeht.

#4genderstudies

Der erste Block des Tages widmete sich zentral der Auswertung der Twitteraktion des Wissenschaftstages. Im Vortrag von Sabina García Peter wurde diese quantitativ ausgewertet. Deutlich wurde, dass die Reichweite der Aktion insgesamt begrenzt war. Dabei waren in den Zahlen die Interaktionen von anti-genderistischen Accounts schon mitverzeichnet. So zeigte sich, dass der reichweitenstärkste Tweet sich feindlich gegenüber den Gender Studies äußerte, hier also das Hashtag von den Kritiker_innen angeeignet wurde, um sich in die Debatte einzuschalten.

Kritische Überlegungen und Diskussionsanstöße zur Analyse ergänzte Kathrin Ganz in ihrem Vortrag. So wurde die Frage aufgeworfen, ob das Hashtag #4genderstudies überhaupt zielführend ist, da es impliziert, dass es zwei diskutierbare Positionen gibt: für und gegen die Gender Studies. Die Diskussion zeigte aber auch, dass das Hashtag unterschiedlich genutzt wird; zum Beispiel, um in den sozialen Medien auf Gender-Forschung hinzuweisen, die auf den ersten Blick nicht als typische Gender-Forschung wahrgenommen wird. Angelehnt an das Hashtag #twitterstorians, unter dem Historiker_innen auf Twitter Forschungsergebnisse teilen und sich vernetzen, wurde darüber nachgedacht, wie ein Hashtag aussehen könnte, das die Gender Studies in den sozialen Medien sichtbar macht, über hohes Identifikationspotenzial verfügt und dabei wenig Angriffsfläche bietet.

#takeaction

Im Nachmittags-Workshop „#takeaction: Feminismus und Gender Studies ins Netz bringen“ von Jasna Strick ging es darum, wie ein gelungener Social-Media-Account aussieht und gehandhabt werden muss. Kreiert man einen Account, lohnt es sich zu fragen, welchen Mehrwert dieser seiner Zielgruppe liefern soll. So sollte eine Plattform-Analyse durchgeführt werden: Auf welchen Plattformen gibt es noch wenige Gender-Inhalte? Welche Zielgruppe gibt es dort, die woanders nicht erreicht werden kann? Auch welche Form der Medieninhalte man anbieten möchte (und kann), spielt eine Rolle: eine Studie von ARD/ZDF zeigt, dass im Internet zwar immer noch viel gelesen wird, die Nutzungsdauer von anderen Formen (Audio, Videos) aber auch einen großen Teil der Internetaktivitäten ausmacht.

Unabhängig von der Wahl der Plattform ist qualitativer Inhalt (‚content is queen‘) und kontinuierliche Aktivität erforderlich, um einen Social-Media-Account zu betreiben, der als Bereicherung wahrgenommen wird. Jasna regte außerdem dazu an, Aktivist_innen als Zielgruppe wahrzunehmen, da diese nicht nur besonders von Ergebnissen aus der Genderforschung profitieren, sondern diese gerade auch bei einer Aktion wie #4genderstudies gut streuen können. Hier wäre beispielsweise eine Kooperation denkbar. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass gesellschaftliche Debatten zunehmend im Netz stattfinden bzw. dort ihren Ursprung haben. Aus diesem Grunde ist es besonders wichtig, dass die Genderzentren dort vertreten und miteinander gut vernetzt sind, um sowohl mitzuwirken als auch solidarisch eingreifen zu können.

#gender #Wisskomm

In der abschließenden Podiumsdiskussion „Möglichkeiten und Grenzen von Wissenschaftskommunikation in der Geschlechterforschung bzw. zu feministischen Themen“ wurde kritisch reflektiert, welche Themen und Aktionen im Netz in der Vergangenheit erfolgreich waren und welche Möglichkeiten es für die Gender Studies gibt, sich noch mehr Gehör zu verschaffen. Es überraschte nicht, dass es besonders kontroverse Themen waren, die eine hohe Reichweite hatten, zum Beispiel die Quotendebatte oder Auseinandersetzungen mit Alice Schwarzer. Auch aktivistische Formate wie #MeToo oder #Aufschrei erreichten ein großes Publikum. Anschlussfähigkeit zu schaffen ist der Weg, auf dem ein Publikum außerhalb der Wissenschaft erreicht wird.

Außerdem kann die Zusammenarbeit mit traditionellen Medien hilfreich sein – auch bei einem solchen Wissenschaftstag. Hier wurde angemahnt, den Rhythmus von traditionellen Medien mitzudenken, beispielsweise Journalist_innen früh genug zu kontaktieren. Nützlich wäre hierfür auch eine Liste mit Journalist_innen zu erstellen, die offen für beziehungsweise interessiert an Genderthemen sind. Komplexe Konzepte allgemeinverständlich zu formulieren, beispielsweise eine Erläuterung von Gender in drei Sätzen, könnte als Service für Journalist_innen funktionieren und ihre Bereitschaft, über Gender-Themen zu berichten, erhöhen. Außerdem wurde in der Podiumsdiskussion deutlich, dass eine Vernetzung über die Gender-Zentren hinaus mit Journalist_innen und Aktivist_innen wichtig und für alle Beteiligten nützlich wäre.

Insgesamt kamen bei der Veranstaltung zentrale Themen immer wieder auf. Der Großteil der Teilnehmenden war sich der Wichtigkeit einer guten Social-Media-Strategie bewusst. Jedoch steht dies im Widerspruch zur Logik des Wissenschaftssystems, welches vorsieht nur wenig Ressourcen in soziale Medien zu investieren. Gleichzeitig sind besonders die jungen Mitarbeitenden, die sowohl technikaffin sind als auch großes Interesse an Social-Media-Tätigkeit haben, von prekären Befristungspolitiken betroffen. Dies führt dazu, dass Ziele wie eine kontinuierliche und professionelle Social-Media-Präsenz selten in die Tat umgesetzt werden können. Besonders die kontinuierliche Social-Media-Arbeit mit Vernetzung und Communitybuilding ist jedoch wichtig für den Erfolg von Aktionen wie der Twitteraktion zum Wissenschaftstag #4genderstudies.

Katrin Frisch ist assoziiertes Mitglied am Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien. Sie promovierte über Interdependenzen von rechter Ideologie und englischsprachiger Literatur. Vor Kurzem erschien ihr Buch The F-Word. Pound, Eliot, Lewis, and the Far Right. Ihre Forschungsschwerpunkte sind diskursive Gewalt und Machtstrukturen in kulturellen Praktiken. In ihrer Freizeit versucht sie, das Internet etwas feministischer zu machen.

Amelie Menzel ist seit August 2017 Studentische Hilfskraft von Gabriele Jähnert am Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien und studiert im Master Gender Studies an der Humboldt Universität zu Berlin. Zuvor hat Amelie Anglistik und Sprache, Literatur, Kultur an der LMU München studiert. Seit dem Bachelor arbeitet Amelie als Redakteur_in und Übersetzer_in sowie im Bereich Social Media.