Foto eines Arcade-Spielautomats mit Bildschirm, auf dem ein Animemädchen mit pinken Zöpfen und Schuluniform abgebildet ist

Gegenderte Akkulturation und (Selbst-)Stereotypisierung: Asiatisch-Deutsche Frauen und weiße Männer

Da es für meine Freund*innen und mich irgendwann ‚normal‘ war, dass ich weiße Partner hatte, scherzten wir manchmal darüber, dass meine vietnamesische Identität (nach außen hin) bei einer Heirat und Übernahme des Familiennamens auf meinen Papieren verschwinden würde (mein vietnamesischer Zweitname wurde in diesem Fall auch von mir selbst vergessen). Mein deutscher Vorname war sicherlich auch von meinen Eltern gewählt worden, um eine ‚einfachere‘ Zukunft für mich zu schaffen, da ich in ihrer traditionellen Vorstellung irgendwann einmal in eine andere Familie einheiraten werde. Auch schwärmen meine Freundinnen oft davon, wie süß meine potenziellen Kinder werden, da diese höchstwahrscheinlich ‚halb weiß‘ und ‚halb asiatisch‘ aussehen werden.

Ngọc (Interview mit Autorin, 22.06.20) und ihr Freund bekommen diesen Kommentar auch oft zu hören: „Ich weiß, es ist ein Kompliment, aber… das sagen die ja zu anderen auch nicht. […] Also das finde ich so ein bisschen. […] unangenehm, sag ich mal.“ Dabei werden die ‚hübschen‘ Kinder aus Mainstreamsicht, insbesondere in den USA, als utopisches Produkt von Schönheit und Begehren in einer color-blind und heteronormativ geprägten Gesellschaft gesehen.

Der ModelMinority-Mythos

Auch im deutschen Kontext werden den Bindestrich-Asiat*innen oft positive Stereotype des sogenannten ModelMinority-Mythos (ähnlich dem deutschen Begriff „Vorzeigemigrant*in“) zugesprochen. Der Mythos der Model Minority entstammt dem amerikanischen Kontext, als (post-)migrantischen Asiat*innen (hauptsächlich aus China und Japan) in der Presse statt negativ rassifizierten Bildern positivere zugeschrieben wurden. Harte Arbeit, klaglose Ausdauer und unauffälliges Wohnverhalten erscheinen als kultureller Determinismus, der seitens vieler amerikanischer Asiat*innen Anklang und vor allem Akzeptanz der weißen Mittelklasse fand (Suzuki 1995). Weiterhin grenzt der Mythos jene Subjekte aus, die diesem nicht entsprechen, sodass die positive Konnotation andere anti-asiatische Rassismen unsichtbar macht und gleichzeitig einen Anpassungsdruck erzeugt.

Die Eigenschaften des ModelMinority-Mythos trugen sicherlich dazu bei, dass ich mich nahtlos in die Familien meiner Freund*innen und Partner eingliedern konnte. Glücklicherweise hatte ich in dieser Hinsicht nie Probleme, sondern wurde stets herzlich aufgenommen. Dennoch ist mir bewusst, dass die vietnamesische Erziehung, trotz meines anfänglichen Widerstandes, mit zunehmendem Alter ihre Spuren hinterließ. So kamen der Respekt gegenüber Älteren, Höflichkeit, Fleiß und Zielstrebigkeit gut bei (auch konservativen) Eltern/Familien an und führten mit meiner ‚deutschen‘ Art zu einer hohen Akzeptanz (siehe den Begriff „Akkulturation“).

‚Asiatisch-Sein‘ als Bewältigungsstrategie

Kumiko Nemoto (2009) argumentiert an einem nahezu identischen Beispiel, bei dem die selektiven positiven Eigenschaften des ModelMinority-Mythos bzw. der asiatischen Werte und Ästhetik mit der Kompatibilität der (weißen) Moderne in Einklang gebracht werden. Dadurch wird letztendlich race als soziales Kapital genutzt, um weiße Männer anzuziehen und/oder sich in der weißen Mainstreamkultur zu behaupten.

Während in der Vergangenheit essenzialisierte Vorstellungen von Asien im Sinne kultureller Eigenschaften (z. B. Literatur, Kunst) die euroamerikanische Perspektive beherrschten und seltener (post-)migrantische Perspektiven von Asiat*innen inkludierten, scheint im Laufe der letzten Jahre ein Wandel eingetreten zu sein: Kien Nghi Ha (2012) zeigt anhand der Eigen- und Fremdwahrnehmung des Chinesischseins, dass die damit einhergehenden Assoziationen im Globalen Norden immer weniger mit der Nation/dem Festland China zu tun haben, sondern mit Vorstellungen der wünschenswerten globalen Wirtschaftsmacht oder der Arbeitsethik, sodass (post-)migrantische Chines*innen ironischerweise Festlandchines*innen als Repräsentant*innen ablösen, weshalb sich eine Selbstdefinition der Begriffe unterscheiden kann. Aihwa Ong (1999) weist darauf hin, dass Narrative Asiens mit ihrem kulturell/konfuzianisch geprägten Alleinstellungsmerkmal im frühen 20. Jahrhundert sehr stark durch Ideen und Diskurse des Globalen Nordens (Progressivität, Wachstum etc.) geprägt wurden. Somit unterscheiden sich vermeintlich starre Konzepte Asiens eben nicht grundlegend von Konzepten des Globalen Nordens, was auf eine Konstruktion dieser hinweist. Diese Argumentationslogik wird aber von asiatischen Subjekten/Meinungsmacher*innen genutzt, um sich klar vom Globalen Norden abzugrenzen (ebd.).

‚Asiatische Kultur‘ als Trend trifft auf Selbst-Orientalisierung beim Dating

An Überlegungen von Blum und Baumann anschließend, formuliert Nemoto (2009), dass das Messen von sich selbst und anderen bezüglich des sozialen bzw. kulturellen Kapitals alltäglich wird und damit auch immer ein Konsumgedanke einhergeht. Als Bindestrich-Asiatin in einer Metropole wie Berlin ist mir mein (positiv konnotiertes) Auftreten als Asiatin deshalb stets bewusst und meistens kann ich damit gut umgehen: „[T]hat it was as ‚cool‘ for a white man to have an Asian girlfriend as for him to have a dragon-printed silk shirt“ (ebd.). Ein Grund dafür ist das kapitalistisch motivierte Zirkulieren populärer multikultureller Imaginationen auf dem globalen Markt, bei denen rassifizierte Körper und Mode exotisiert und sexualisiert werden (ebd.). Daraus kann eine Deckung zwischen dem postmigrantischen Asiatischsein im Globalen Norden und den orientalisierten Zuschreibungen der weißen Dominanzgesellschaft entstehen. Diese Selbst-Orientalisierung asiatischer Frauen trifft in manchen kulturellen Szenen auf weiße Männer, die genau danach suchen: „His preference for Asian women related to his attraction to a range of hypermodern fashions and music, which he considered hard to share with white women.“ (ebd.). In dem hier verwendeten Zitat nutzt der Interviewpartner bei Nemoto unbewusst Argumente der sexual model minority, indem er asiatische(-amerikanische) Frauen gegen weiße (und andere rassifizierte) Frauen stellt (ebd.). In diesem hypermodernen Kontext verspüren manche Frauen, auch innerhalb von Beziehungen, dieser Erwartungshaltung gerecht werden zu wollen, die paradoxerweise das Gefühl des „Anderssein[s]“ verstärkt (ebd.).

Ich sehe meine meist unbewusste Selbst-Orientalisierung in der weißen Mehrheitsgesellschaft aber auch als eine Art Empowerment und Strategie, das Beste aus meiner Rassifizierung zu machen, ohne dabei Personengruppen zu diskriminieren. Es dient also auch als Schutzmechanismus vor Rassismus, was ambivalenterweise eine erneute Rassifizierung mit sich bringt und vermeintlich ‚positive‘ Stereotype reproduziert.

 

Der Beitrag erschien in einer früheren Version zuerst im Magazin GAMSzine No 2 — Summer 2021 des Bereichs „Gender and Media Studies for the South Asian Region“ der HU Berlin. Es handelt sich um einen leicht veränderten Auszug aus C. B. Sandra Hos Masterarbeit „Kulturelle Identität, Stereotype und ihr Einfluss auf die Partner*innenwahl. Erfahrungen viet-deutscher Frauen der zweiten Generation“.

 

Literatur

Baumann, Charlotte. 2005. „Aus allen Quellen trinken. Die Identitätssuche der Kinder ehemaliger vietnamesischer Vertragsarbeiter in Deutschland.“ Diplomarbeit, Universität Passau.

Ha, Kien Nghi. 2012. „Rassismus Sucks – Eine Einleitung.“ In Asiatische Deutsche: Vietnamesische Diaspora and beyond, editiert von Kien Nghi Ha, 9–22. Berlin [u. a.]: Assoziation A.

Nemoto, Kumiko. 2009. Racing Romance: Love, Power, and Desire Among Asian American/White Couples. New Brunswick: Rutgers University Press.

Ong, Aihwa. 1999. Flexible Citizenship: The Cultural Logics of Transnationality. Durham: Duke University Press.

Suzuki, Bob H. (1977) 1995. „Education and the Socialization of Asian Americans: A Revisionist Analysis of the ‚Model Minority‘ Thesis.“ Amerasia Journal 1977, Nr. 4(2): 23–51. Nachgedruckt in The Asian American Educational Experience: A Source Book for Teachers and Students, editiert von D. T. Nakanishi und T. Y. Nishida, 113–32. New York: Routledge. Zitate beziehen sich auf die Ausgabe von Routledge.

 

C. B. Sandra Ho beendete 2021 ihr Masterstudium in Modernen Süd- und Südostasienstudien an der HU Berlin. Davor studierte sie Medienmanagement im Bachelor. Sie beschäftigt sich vor allem mit Geschlecht an der Schnittstelle zu Feminismus, Identität, Migration, Intersektionalität, gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, Medien und zwischenmenschlichen Beziehungen. Aktuell arbeitet sie in der Amadeu Antonio Stiftung.

Kontakt: sandra.cb.ho@gmail.com