Das Bild ist KI-generiert. Es zeigt zwei Graphic-Arts-Stil ikonisierte FLINTA*-Personen mit symbolisch erhobener Faust.

„Sei mutig, trau dich!“ – Ein Einblick in mein Mentoring-Programm

„Sei mutig, trau dich!“ – Diese Worte hallen immer noch in meinem Kopf nach, lange nachdem ich sie zum ersten Mal von Lia Lang, unserer Coachin im Mentoring-Programm für Studierende der Gender Studies der Humboldt-Universität zu Berlin, gehört habe. Dieser Satz war für mich der Ausgangspunkt einer Reise, die nicht nur meine beruflichen Ziele neu definierte, sondern auch mein Selbstverständnis stärkte.

Im Sommersemester 2023 nahm ich an einem zwei-semestrigen Mentoring-Programm teil. Ziel war es, sich über eigene Ressourcen und Kompetenzen bewusst zu werden, berufliche Zielvorstellungen zu reflektieren und Einblicke in verschiedene Berufsfelder zu gewinnen.

Das Programm bot uns Studierenden eine wertvolle Gelegenheit, mit erfahrenen Expert*innen aus der Praxis zusammenzuarbeiten, die uns dabei halfen, den Weg in unsere berufliche Zukunft zu ebnen.

Der Weg zur Unternehmensberatung und wieder zurück

Als ich das Mentoring-Programmbegann, hatte ich ein klares Ziel: Ich wollte in die Unternehmensberatung – ein männerdominiertes Berufsfeld, das mir als Karriereweg   erschien. Die Aussicht, in interdisziplinären Teams an strategischen Projekten zu arbeiten und Entscheidungsprozesse von Unternehmen zu beeinflussen, reizte mich. Ich erwartete eine fordernde, dynamische Umgebung, in der ich mich fachlich und persönlich weiterentwickeln konnte.

Inspiriert durch die Geschichten von erfolgreichen Gender Studies-Absolvent*innen wie Jan Pedd, der als Diversitätsbeauftragter bei den Berliner Wasserbetrieben tätig ist, und motiviert durch die Unterstützung von Lia Lang – Wissenschaftsmanagerin und Diversity- und Karriereberaterin – war ich bereit, diesen Weg einzuschlagen.

Doch wie so oft im Leben änderten sich meine Prioritäten. Meine Mentorin Johanna (Name geändert), die selbst eine erfolgreiche Unternehmensberaterin in Berlin ist, half mir, diese Veränderung zu erkennen und anzunehmen. Während unserer One-to-One-Meetings, die auch sehr persönliche Themen wie familiäre Belastungen als migrantisches Kind behandelten, wurde mir klar, dass mein Herz nicht für die klassische Unternehmensberatung schlägt. Der Grund dafür war die Erkenntnis, dass mir in diesem Berufsfeld ein tiefergehender gesellschaftlicher Einfluss fehlte. Die oft stark ergebnisorientierte, wettbewerbsintensive Arbeitsweise ließ wenig Platz für nachhaltige,

wertebasierte Projekte, die mir persönlich wichtig sind. Dank der Einblicke meiner Mentorin    verstand ich, dass der Fokus oft auf der Maximierung von Effizienz und Profit liegt, ohne dabei soziale Auswirkungen oder Diversitätsaspekte ausreichend zu berücksichtigen. Auch stand der Begriff „Diversity Washing“ häufig im Raum.

Stattdessen entdeckte ich meine Leidenschaft für das Diversity Management und erkannte, dass ich in diesem Bereich, in dem ich bereits als Werkstudentin tätig bin, ebenfalls eine Beratungsfunktion ausüben kann, um meine beruflichen Ziele zu verfolgen und meine Interessen zu erfüllen. Denn im Gegensatz zur ‚klassischen‘ Unternehmensberatung bietet mir das Diversity Management die Möglichkeit, aktiv an der Förderung von Chancengleichheit und Inklusion mitzuwirken. Hier kann ich meine Werte direkt in meine Arbeit einfließen lassen, indem ich Projekte unterstütze, die gesellschaftliche Veränderungen vorantreiben, Vielfalt wertschätzen und nachhaltige Strukturen schaffen.

Beispielsweise durfte ich während meiner Tätigkeit den Aktionstag „Schichtwechsel“ im Unternehmen betreuen und koordinieren. Beim Schichtwechsel handelt es sich um eine Initiative der BAG WfbM, die es den Teilnehmenden – mit und ohne Behinderungen – erlaubt, an einem Tag den Arbeitsplatz zu tauschen. Dieser Perspektivwechsel fördert das gegenseitige Verständnis, indem er den Teilnehmenden bereichernde Sichtweisen vermittelt und inspirierende Begegnungen schafft. Solche Initiativen tragen dazu bei, inklusive Arbeitsstrukturen zu etablieren. Dies entspricht meinem Wunsch, nicht nur ökonomische, sondern auch soziale Mehrwerte zu schaffen.

Ein Blick über den Tellerrand

Johanna war nicht nur meine Mentorin, sondern auch eine Inspiration für mich. Sie motivierte mich, über den Tellerrand hinauszuschauen und meine Komfortzone zu verlassen. Diese lag darin, dass ich mich zuvor nicht weiter beworben hatte, weil ich mich bereits in meiner Position im Diversity Management befand. Oft dachte ich: „Warum sollte ich wechseln? Ich bin doch schon im richtigen Bereich.“ Doch sie half mir, meine beruflichen Ziele neu zu definieren und unterstützte mich dabei, mich auf neue Positionen innerhalb des Diversity Managements zu bewerben, die weit über administrative Aufgaben und organisatorische Unterstützung im bisherigen Arbeitsbereich hinausgehen.

Obwohl ich bei der Autobahn GmbH des Bundes im Diversity Management zufrieden war, fühlte ich mich bereit für eine neue Herausforderung. Johanna brachte mir nahe, wie wichtig es ist, verschiedene Erfahrungen zu sammeln und neue Perspektiven zu gewinnen. Dabei betonte sie, dass der Wechsel zu einem anderen Unternehmen eine wertvolle Chance sei. Diese Entscheidung führte mich schließlich zu meiner jetzigen Tätigkeit als Werkstudentin im Diversity Management bei den Berliner Wasserbetrieben. Hier finde ich zahlreiche Inhalte meines Studiums wieder, insbesondere in der Anwendung von Konzepten der Gleichstellung und Inklusion. Dabei kann ich mein Wissen aus den Gender Studies einbringen, etwa bei der Entwicklung von Schulungen und Sensibilisierungsworkshops zur Förderung einer inklusiven Unternehmenskultur und der Integration von Diversitätsaspekten in die Unternehmenswerte. Ein weiteres spannendes Aufgabengebiet ist die Mitarbeit an Vorstandszielen, insbesondere der Frauenförderung. Beispielsweise durfte ich in meiner aktuellen Rolle kürzlich eine Berichtspräsentation zum Frauenförderplan erstellen, die die Fortschritte des Vorhabens darstellt. Mein Wissen über die Gleichstellung der Geschlechter erwies sich dabei als besonders wertvoll, da es mir half, die fachlichen Hintergründe besser zu verstehen und ein tieferes Bewusstsein für die strukturellen Barrieren zu entwickeln, mit denen Frauen im Berufsleben konfrontiert sind.

Der Mut, die Gläserne Decke zu durchbrechen

Eines der Hauptthemen, die sich durch das Mentoring-Programm zogen, war die sogenannte „Gläserne Decke“. Diese unsichtbare, aber dennoch spürbare Barriere, die Frauen und marginalisierte Gruppen daran hindert, in ihrer Karriere voranzukommen, wurde immer wieder aufgegriffen. Johanna, die mit Migrationshintergrund in einem männerdominierten Bereich arbeitet und ihre Erfahrungen als queere Frau offen teilt, hob immer wieder hervor, wie wichtig es ist, diese Barrieren zu erkennen und aktiv zu durchbrechen.

Sie half mir, meine Stärken in meinen Bewerbungsunterlagen noch klarer herauszustellen und mir aufzuzeigen, wie ich vorhandene Fähigkeiten, die ich zuvor nicht in vollem Umfang erkannt hatte, gezielt einsetzen kann. So wurde mir beispielsweise bewusst, wie wichtig mein ausgeprägtes Bewusstsein für Geschlechtergerechtigkeit ist – eine Kompetenz, die ich zwar während meines Studiums entwickelt habe, aber nie als so entscheidend für meine berufliche Laufbahn erachtet hatte. Ebenso erkannte ich, wie wertvoll mein tiefgehendes Verständnis für strukturelle Ungleichheiten und die Fähigkeit, diese in verschiedenen Kontexten zu analysieren, ist. Darüber hinaus konnte ich meine Expertise im Bereich Diversitätsbewusstsein ausbauen, um die Bedeutung von Vielfalt in verschiedenen sozialen und beruflichen Umfeldern zu vermitteln. Ihre Tipps und Unterstützung ermöglichten es mir, meine Kompetenzen überzeugend darzustellen und dadurch erfolgreich eine neue Position zu erlangen.

Gender Studies hat Zukunft

 Das Mentoring-Programm hat mir nicht nur geholfen, meine beruflichen Ziele klarer zu definieren, sondern auch meinen Studiengang in einem völlig neuen Licht zu sehen. Trotz der häufig geäußerten Kritik an den Gender Studies, die oft als ‚weniger nutzbringend’ angesehen werden und mit Schwierigkeiten bei der Arbeitsplatzsuche konnotiert sind, habe ich durch das Mentoring-Programm erkannt, wie wertvoll und relevant dieser Studiengang tatsächlich ist.

Während des Programms wurden uns zahlreiche Perspektiven und Wege aufgezeigt, die wir mit einem Abschluss in Gender Studies einschlagen können. Ich war erstaunt über die vielen Möglichkeiten, die dieser Studiengang eröffnet, und darüber, wie bedeutsam diese im Berufsleben sind. Die Fähigkeit, gesellschaftliche Arbeits- und Machtverhältnisse sowie Geschlechterrollen zu reflektieren, ist in nahezu jedem Berufsfeld gefragt. Diese Erkenntnis hat mich tief bewegt und ermutigt, den Studiengang mehr wertzuschätzen und selbstbewusst zu vertreten, weil wir im oft übersehenen Bereich der Gender Studies einen bedeutenden gesellschaftlichen Beitrag leisten.

 

Titelbild von Freepik

 

Linh Nguyen hat einen Zwei-Fach-Bachelor in Soziologie und Betriebswirtschaftslehre absolviert und studiert seit 2022 Gender Studies im Master an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seit Juli 2024 arbeitet sie als Werkstudentin im Diversity Management bei den Berliner Wasserbetrieben. Zuvor war sie in der gleichen Position bei der Autobahn GmbH des Bundes tätig.

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