Die Tätigkeit in städtischen Senatsverwaltungen erschien mir immer sehr trocken, extrem bürokratisch und langweilig, doch ist sie das zwangsläufig auch? Die Berliner Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung (ASGIVA) ist eine der zentralen Institutionen, die sich in der Stadt für eine gerechte und inklusive Gesellschaft einsetzt. Insbesondere innerhalb der Abteilung für Frauen und Gleichstellung werden Prozesse gestartet, die darauf abzielen, Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern zu fördern, Diskriminierung abzubauen und die gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen zu stärken.
Einblick in das Berufsfeld durch das Mentoring-Programm
Inspiration für diesen Artikel habe ich durch meine Mentoring-Beziehung gewonnen, die ich während meines Studiums im Master Gender Studies durch die Teilnahme am angebotenen Mentoring Programm erlebte. Meine Mentorin, eine engagierte Mitarbeiterin in der Abteilung Frauen und Gleichstellung im Berliner Senat für ASGIVA, ermöglichte mir durch die Teilnahme an einigen Treffen und gehaltvollen Gesprächen wertvolle Einblicke in die Arbeit dieser Behörde. Durch diesen Austausch konnte ich nicht nur die alltäglichen Herausforderungen in der Verwaltung, sondern auch die Wirkung der geleisteten Arbeit kennenlernen. Ich habe erfahren, wie erlernte Gleichstellungsaspekte und Diversitäts- sowie Antidiskriminierungsstrategien praktisch angewendet werden können. Dabei habe ich eine klare Verbindung der universitären Ausbildung zur Arbeit in der Senatsverwaltung erkannt und mir wurde deutlich, wie wertvoll der interdisziplinäre Hintergrund aus den Gender Studies ist.
Wie Gender Kompetenzen gezielt eingesetzt werden können
Die Abteilung Frauen und Gleichstellung beschäftigt sich mit einer Vielzahl von Themen wie Gleichstellungsstrategien, Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, Geschlechtergerechtigkeit in Arbeit und Gesundheit sowie intersektionaler Diskriminierung. Im Folgenden möchte ich auf für mich spannende Inhalte eingehen und deren Verbindungen zum Studium in den Gender Studies herstellen.
1. Entwicklung und Umsetzung von Gleichstellungspolitiken:
Die Konzeption von Programmen zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter ist einer der Hauptinhalte in der Arbeit der Abteilung. Hierfür werden anhand der gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen Daten im Hinblick auf Geschlechtergerechtigkeit analysiert, digitalisiert und kondensiert. Dafür eignet sich die Erstellung eines sogenannten Gender Impact Assessments (GIA), um neue politische Maßnahmen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf verschiedene Geschlechtergruppen zu bewerten. Ein mögliches Anwendungsbeispiel könnte die geschlechtergerechte Anpassung von Stadtentwicklungsstrategien sein, die beleuchtet, wie öffentliche Räume sicherer für FLINTA*-Personen gestaltet werden könnten. Im Studium fehlt es leider bisher an der Lehre über Methoden zur geschlechtergerechten Datenanalyse inklusive ihrer intersektionalen Perspektiven, welche dabei helfen würden, diese Schritte zu entwickeln und durchzuführen.
2. Bekämpfung von Diskriminierung:
In diesem Bereich ist die Zusammenarbeit mit Organisationen und Initiativen, die sich gegen Diskriminierung einsetzen und oftmals aus selbstorganisierten betroffenen Personen bestehen, unabdingbar. Durch den Austausch können weitere Maßnahmen entwickelt oder ausgebaut werden, wie Sensibilisierungsworkshops für intersektionale Diskriminierung oder Leitlinien für die Verwendung geschlechterinklusiver Sprache. Im Studium der Gender Studies an der HU wurden Intersektionalität und Marginalisierungen transdisziplinär beleuchtet, was für die Entwicklung von Maßnahmen zu Antidiskriminierung eine sehr gute theoretische Basis darstellt.
3. Förderung von Frauenrechten:
Da Gewalt gegen Frauen leider noch immer ein großes Thema ist, gehört es zu den Hauptanliegen der Abteilung Frauen und Gleichstellung, Frauen in vulnerablen Lebenssituationen Schutz und Unterstützung zu bieten, beispielsweise durch Gewaltpräventionsprogramme für geschlechterspezifisches Cybermobbing. Auch die Arbeit an der Entwicklung von Konzepten für zugängliche Schutzräume in Berliner Notunterkünften, um Frauen besser vor häuslicher und öffentlicher Gewalt zu schützen, fällt in den Zuständigkeitsbereich der Abteilung. Inwieweit diese Ansätze und Programme greifen, wird sich in künftigen Auswertungsstudien zeigen. Im Studium war das Thema Gewalt an Frauen und Femiziden im Zusammenhang mit Analysen geschlechtsspezifischer Gewaltstruktur oft vertreten.
Zusätzlich wird stetig an Studien gearbeitet und es werden eigene Erhebungen zur Lage der Frauen in unserer Gesellschaft durchgeführt. Datenquellen wie der Gender-Datenreport oder der Bericht über die Umsetzung des Landesgleichstellungsgesetzes (LGG) werden hier als Grundlage für die Erfassung und Verarbeitung genutzt. Zusätzlich werden Initiativen gegründet oder mit bestehenden zusammengearbeitet, um den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen, wie beispielsweise ‘European Women´s Management Development’ oder ‘Business and Professional Women Germany e.V.’. Auch die Geschichte des feministischen Aktivismus habe ich im Verlauf des Studiums besser kennenlernen können, was mich auf die Auseinandersetzungen vergangener und aktueller Kämpfe sowie feministische Forderungen vorbereitet hat.
4. Zusammenarbeit mit Stakeholdern:
In diesem Aufgabenbereich wird erneut erkennbar, wie relevant enge Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, Verbänden und wissenschaftlichen Institutionen sind. Durch den Aufbau von interdisziplinären Expert*innen-Netzwerken wird der Austausch miteinander auf nationaler und internationaler Ebene gefördert. Insbesondere die Kooperation mit Hochschulen zur Entwicklung von Weiterbildungsmodulen für Verwaltungsmitarbeitende stärkt die Gender- und Diversity-Kompetenzen bei den Senatsmitarbeitenden. In meiner Arbeit als Werkstudentin im Projekt ‘Empowerment für Diversität’ der Charité Berlin habe ich am Aufbau eines solchen Netzwerkes bereits mitgewirkt und gelernt, wie wichtig ein starkes Netzwerk für Arbeiten im Diversitäts- und Gendersektor sind.
Qualifikationen und Anforderungen
Meiner Ansicht nach bietet ein Studium der Gender Studies die theoretische Basis für die Arbeit in der Abteilung. Erste Erfahrungen in der Entwicklung und Implementierung von politischen Programmen und Strategien, sowie Kenntnisse zu den existierenden rechtlichen Rahmenbedingungen, wie die des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) sind von Vorteil. Mir waren diese vor der Mentoring-Beziehung durch das Studium noch nicht bekannt, jedoch liegt dies an meiner Wahl der Seminare, womit nicht auszuschließen ist, dass insbesondere politisch und rechtlich fokussierte Seminare diese Inhalte lehren. Auch Soft-Skills, insbesondere in Kommunikations- und Moderationsfähigkeiten, sowie eine diversitätssensible Kompetenz für einen verständnisvollen und kultursensiblen Umgang mit unterschiedlichen Perspektiven sind maßgeblich für diese Arbeit.
Die transdisziplinäre Ausrichtung des Studiengangs vermittelt neben dem theoretischen Wissen rund um feministische Theorien, intersektionale Ansätze und die Analyse von sozialer Ungleichheit auch das Erlernen praktischer Umsetzungen/Interventionen, um Lösungen für aktuelle komplexe gesellschaftliche Herausforderungen zu finden. Auch im Bereich der Kommunikation und Sensibilisierung, die wie oben beschrieben, zu den zentralen Anforderungen gehören, sind Gender Studierende geschult und können ihr Wissen in der Abteilung Frauen und Gleichstellung wunderbar integrieren, was sich durch den Austausch mit meiner Mentorin bestätigte.
Karriere ohne Grenzen – Aufstiegschancen und Entwicklungsmöglichkeiten
Meine Mentorin ist Referatsleiterin für Gender-Daten im Bereich der Gleichstellung, nachdem sie vorher ein Jahr im Referat zur sexualisierten Gewalt im Bereich ‘Keine Gewalt’ tätig war. Dies zeugt von einer guten Möglichkeit, den Arbeitsbereich innerhalb der Abteilung zu wechseln, was ich ansprechend finde. Für mich war der Bereich der Gender-Daten zwar interessant und wichtig, allerdings habe ich persönlich keine Affinität zu Zahlen und Statistik. In der Abteilung ‘Frauen und Gleichstellung’ lägen meine Interessen eher in den Referaten zur Vielfalt, Öffentlichkeit oder, aufgrund meiner gegenwärtigen Arbeit in einem diversitätsfördernden Projekt der Charité, Gesundheit. In den vielfältigen Seminaren meines Studiums konnte ich bereits Einblicke gewinnen, die mich auf die Themenfelder dieser Referate vorbereiten, wie die mediale Repräsentation von Geschlechtern, Herausforderungen von Migrant*innen in Deutschland oder die Analyse von Mehrfachdiskriminierung. Nachdem ich einen ersten Einblick in diesen für mich interessanten Arbeitsbereich gewonnen habe, ist es jetzt mein Ziel, mich auf eines der Fachgebiete zu spezialisieren und gegebenenfalls dazu in der Politik oder Öffentlichkeit als Expertin aufzutreten.
Fazit
Die Arbeit in der Abteilung Frauen und Gleichstellung des Berline Senats ASGIVA verfolgt eine sinnstiftende Aufgabe, die direkten Einfluss auf eine gerechtere Gesellschaft hat. Für Absolvent*innen der Gender Studies bietet dieses Berufsfeld die Möglichkeit, ihr Fachwissen praxisnah einzusetzen, analytische Fähigkeiten zu schärfen und an strukturellen Veränderungen mitzuwirken. Wer mit Leidenschaft für Gleichstellung und Diversität den gesellschaftlichen Herausforderungen entgegentritt, kann einer erfüllenden Tätigkeit nachgehen und zugleich einen wichtigen Beitrag zu einer inklusiveren Zukunft leisten.
Lara Yakacik studiert seit dem Wintersemester 2022/2023 im Master Gender Studies an der Humboldt-Universität zu Berlin. Zuvor hat sie ihren Bachelor an der Universität Potsdam in Soziologie und Anglistik/Amerikanistik abgeschlossen. Ihre Interessenschwerpunkte sieht sie in den Bereichen Intersektionalität und Diversität und deren mediale Repräsentation in Film und Fernsehen. Seit Herbst 2023 ist sie als Werkstudentin für das Charité Projekt Empowerment für Diversität tätig, welches das Ziel einer gerechten, inklusiven und diskriminierungsfreien Gesundheitsversorgung verfolgt.