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Women for Trump und Proud Boys. Fußvolk einer nationalen Randale

Wer sind die Leute, die am 6. Januar 2021 das Kapitol in Washington gestürmt haben? Diese weißen Männer mit Bärten, Holzfällerhemden und Cowboy-Stiefeln oder diese Frauen mit roten MAGA Basecaps, eingewickelt in Nationalflaggen? Warum glauben sie, die USA retten zu müssen, warum denken sie, dass sie belogen und betrogen wurden? Oder andersherum, was motiviert sie, einer vielfach widerlegten Lüge zu glauben?

 Der Romantische Komplex

Frauen sind es gewohnt, belogen zu werden und an Lügen zu glauben. Es fängt mit dem Mädchen an, das die Gleichgültigkeit des Angebeteten nur für eine Liebesprobe hält, setzt sich mit dem Glauben an den Frauenhelden fort, der plötzlich seine einzige große Liebe gefunden haben will, um einen Beischlaf zu ergattern. Der ‚Romantische Komplex‘, den schon Shulamith Firestone in der Dialectic of Sex. A Case for a Feminist Revolution (1970) für den schlimmsten Feind weiblicher Emanzipation erklärt hat, wird genährt von „cruel Optimism“, wie Lauren Berlant eine Haltung nennt, in der man an unerfüllbaren, im konkreten Fall romantischen, Wünschen dermaßen festhält, dass er ein lebbares Leben verunmöglicht (Berlant 2011).

Die Dämmerung von Donald Trumps Regierungszeit glimmt ebenfalls auf dem Feuer einer grausam optimistischen Lüge. Millionen von republikanischen Wähler*innen sind gegen jede Evidenz davon überzeugt, dass der amtierende Präsident die Wahl gewonnen hat. Im übertragenen Sinn kommt auch hier der Romantische Komplex zum Zuge weil die Bindung an einen charismatischen Führer immer auch erotische Dimensionen hat. Svenja Flasspöhler schreibt über Führerschaft: „Einem Liebhaber nicht unähnlich, bewegt er den störrischen, in sich divergenten Volkskörper zur einheitlichen, bedingungslosen Hingabe, er schafft es, dass dieser Körper sich öffnet, ja sich sogar opfert für jene Ideale, die er, der Charismatiker, propagiert.“ Ein solches ‚Opfer‘ ist von der Kriegsveteranin Ashli Babbit während des Sturms auf das Kapitol am 6. Januar gebracht worden, als sie während eines Gerangels mit der Polizei erschossen wurde. In den sozialen Medien tauchte sofort ein Hashtag ‚Justice for Ashli‘ auf der neurechten Plattform Parler auf, die bald darauf von Amazon gesperrt  wurde.

Hingabe und Gefolgschaft werden von den überwiegend weißen Frauen und Männern des Trumpismus je unterschiedlich verhandelt. Das lässt sich am Beispiel der Großdemonstration ‚Don‘t Steal the Vote‘ vom 12. Dezember 2020 illustrieren. Wie auch zum Tag des Kapitol-Sturms dominierten politische Formationen, die jeweils ihr Geschlecht im Titel ihres Gruppennamens führen. Veranstalterinnen und Organisatorinnen waren Women for America First. Und sichtbare Militanz ging von einer neo-faschistischen und misogynen Bruderschaft namens Proud Boys aus, die in paramilitärischem Outfit und schusssicheren Westen das Bild prägten. Am 6. Januar wurden sie von weiteren rechtsextremen Milizen wie den Oath Keepers und den Boogaloos verstärkt.

Women for Trump

Den ersten Marsch hatte die Vorsitzende der Women for America, Amy Kremer, organisiert. An ihrer Femininität lässt sie keinen Zweifel. Die frühere Tea-Party Aktivistin und Großspendensammlerin bezeichnet sich auf ihrer Homepage als eine „Southern Belle“, die es liebt, in der freien Zeit zu kochen, zu gärtnern und Antiquitäten zu sammeln. Sie sei eine ganz normale ‚Mom‘. Da sie aber ihr Land liebe, sei sie gezwungen die Freiheiten zu schützen, auf denen sich Amerika gründet. Übersetzt heißt das, sie muss Trump unterstützen, um ihre ‚wahre‘ Weiblichkeit leben zu können. Lara Trump, die Gattin von Trump-Sohn Eric, hat einen pinkfarbenen Kampagnenbus auf dem Empowerment steht, gesponsert. In einem Leitartikel schreibt sie, dass die Politik des Präsidenten Frauen dazu ermächtige (empowering women), das meiste aus seiner großartigen Wirtschaftspolitik zu machen: „this president is making sure that women are able to thrive like never before“.

Der letzte Satz lässt aufmerken. Es bedarf also dieses bestimmten Präsidenten, damit Frauen in der Lage sind, sich voll zu entfalten. Er erlaubt und fördert ihre ‚Emanzipation‘, was das im Einzelnen auch heißt, ‚mutig‘ gegen Abtreibung oder bezahlbare Krankenversicherung zu sein, wofür z.B. Trumps Verfassungsgericht-Kandidatin Amy Coney Barrett von republikanischen Senatoren gelobt wurde. An anderer Stelle habe ich dieses populistische Frauen-Empowerment-Programm den „Zauber der sekundären Ermächtigung“ genannt (Dietze 2018). Der Vorteil dieser Anerkennung weiblicher Macht ist, dass sie nicht konfrontativ erkämpft werden muss. Der von Trump autorisierten Frau kann keine Männerfeindlichkeit nachgesagt werden. Von der auf High-Heels staksenden Barbie-Garde à la Ivanka Trump oder Trumps Pressesprecherin Kayleigh McEnany geht keine Bedrohung für Männer aus, eher eine Verlockung.

Proud Boys

Im Gegensatz zu den Frauen-Initiativen für Trump, behaupten die ebenfalls nach ihrem Geschlecht benannten Proud Boys keine erwachsenen Männer zu sein. Ein selbst auferlegtes Masturbations-Regime von einmal im Monat macht eher einen adoleszenten Eindruck. Diese rechtsextreme Gruppe erhielt größeres Medien-Echo, als man Präsident Trump in einer Fernsehdebatte auf sie ansprach, in der Hoffnung, er würde sich von der misogynen, anti-semitischen und islamophoben Miliz distanzieren. Stattdessen empfahl er, die ‚Jungs‘ sollten sich bereithalten („stand back and stand by“). Letzteres bewiesen sie beim Sturm auf das Kapitol, als sie eine der größten sichtbaren Gruppen stellten. Ihre Unreife demonstrierten sie, indem sie ununterbrochen grinsend Selfies machten, und sich dabei demonstrativ auf den Sesseln der Macht, insbesondere von weiblichen Abgeordneten, ausbreiteten. Ihr leidenschaftlicher Glaube daran, dass ihnen die Wahl gestohlen wurde, hat weniger mit den Mechanismen romantischer Selbsttäuschung zu tun, als mit einem Opfernarrativ, dass weiße Männlichkeit als bedroht von Feminismus, Identity Politics, und sozialen Bewegungen wie Black Lives Matter und Umweltpolitik sieht. Trump war genau der Angry white Man, der ebenso fühlte, aber die Macht erobert hatte, und ihnen deshalb ihr Geburtsrecht der männlichen kulturellen Dominanz zurückgeben würde.

Conclusio

Wie in der sekundären Ermächtigung der Trump-Frauen haben wir es auch bei den Proud Boys mit durch einen charismatischen Führer autorisierter weißer Männlichkeit, zu tun. Die prekäre soldatische Stärke verdankt sich dem aggressiven Auftreten und dem Adel der Gefolgschaftsanerkennung (hier durch Trump). Eine Wahlniederlage kann deshalb nicht wahr sein. Die Bereitschaft, Trumps Lügen vom Wahlsieg zu glauben, hat also weniger mit der Sturheit fanatisierter Anhänger zu tun, als mit der Möglichkeit, die Frau oder der Mann sein zu können, die man ohne den Gewährleister nicht sein könnte.

Literatur

Berlant, Lauren, (2011): Cruel Optimism. Durham.

Dietze, Gabriele, (2019): Sexueller Exzeptionalismus. Überlegenheitsnarrative in Immigrationsabwehr und Rechtspopulismus. Bielefeld, S.149-160

 

Gabriele Dietze forscht und lehrt zu Gender-, Media-, Cultural- und Migration-Studies an verschiedenen deutschen (darunter Humboldt) und amerikanischen Universitäten zuletzt im Dartmouth College, NH. Gegenwärtig ist sie Fellow der VW Stiftung mit dem Projekt „Quarantine Culture“. Ihre Schwerpunkte sind: Sexismus, Rassismus, Rechtspopulismus und Cultural Wars in den USA. Sie ist assoziiertes Mitglied des ZtG.