Das Lesbische Aktionszentrum Westberlin (LAZ) hat in den 1970er Jahren als eine der ersten Gruppen für positive lesbische Sichtbarkeit gesorgt und viele Teile der autonomen Westberliner Frauenbewegung in den 1970er Jahren mit aufgebaut und geprägt. In meinem 2019 erschienenen Buch „Mit schwulen Lesbengrüßen. Das Lesbische Aktionszentrum Westberlin (LAZ)“, versuche ich eine differenzierte Betrachtung ihrer Politiken, die aktuelle Diskussionen und theoretische Positionen miteinbezieht.
Der Weg zum Buch
Das Buch ist aus meiner MA-Abschlussarbeit in den Gender Studies an der Humboldt-Universität entstanden. Ich hatte nicht geplant, ein Buch zu schreiben, Heinz Jürgen-Voß hat mich damals über den Psychosozial Verlag angesprochen, ob ich die Arbeit dort veröffentlichen will.
Ehrlich gesagt wusste ich zunächst gar nicht so genau, worüber ich in meiner MA-Arbeit schreiben soll, da die Luft am Ende meines Studiums etwas raus war. Ich dachte mir thematisch möchte ich auf jeden Fall etwas zu Lesben machen und queer_feministisch arbeiten. Ebenfalls war mir klar, dass ich unbedingt mit historischen Quellen im Archiv forschen will, weil ich einfach Geschichte/n so wichtig finde und immer viel daraus lerne, politisch und privat.
Birgit Bosold vom Vorstand des Schwulen Museums hat mir dann den Tipp gegeben, dass es einen Bestand zum LAZ im Spinnboden Lesbenarchiv gibt, der lange nicht systematisch gesichtet oder bearbeitet wurde. Ich habe damals zum ersten Mal von der Lesbengruppe gehört, die sich 1971/72 aus der HAW (Homosexuellen Aktion Westberlin, eine der ersten westdeutschen Schwulengruppen der 1970er Jahre) gegründet hat. Am Anfang haben sie sich dort als „schwule Frauen“ bezeichnet und mit den Männern gemeinsam gearbeitet. 1975 gab es aufgrund sexistischer Strukturen und Erfahrungen eine Abspaltung und Gründung als eigenständiges Lesbisches Aktionszentrum.
Das Material und meine Fragen
Ich bin damals zum Spinnboden, dort ist es einfach super angenehm zu arbeiten, sehr gemütlich. Dann habe ich angefangen, mir die ganzen Ordner anzuschauen und bin direkt versunken, in die ganzen Protokolle und kleinen Artikel und Flugblätter und persönlichen Geschichten. Meine Professorin Ulrike Auga hat mich dabei unterstützt, einen Fokus für meine Arbeit zu finden. Mich haben bei dem ganzen Material vor allem zwei größere Frageblöcke interessiert:
1. Wie haben sich die Lesben damals politisch organisiert? Wie hat das funktioniert? Was lief gut, was war schwierig? Welche Erfolge gab es und welche Konflikte in der Community? Welche Stimmen waren dabei und wurden gehört und welche nicht?
2. Und dann: Was bedeutet das heute für mich? Wie sehe ich bestimmte Dinge aus meiner queeren Lebensweise heute und dem Wissen, was ich in den Gender Studies mitbekommen habe? Wo gibt es wertvolle Anknüpfungspunkte für aktivistische Praxen? Welche Diskussionen wiederholen sich heute noch? Was können wir mitnehmen, wo müssen wir etwas verwerfen und anders machen?
Solidarisch kritisch mit dem Erbe umgehen
All diesen Fragen versuche ich in dem Buch näher zu kommen, indem ich verschiedene große Themenfelder (Historische Veränderung des Selbstverständnisses; Organisationsformen und Herausforderungen; Widerstand und Aktivismus) aus dem ganzen Archivmaterial gefiltert habe, die ich mithilfe einer theoretischen Basis (diskurstheoretisch, queer, feministisch, postkolonial), die durch zahlreiche Lehrer*innen in den Gender Studies geprägt wurde, untersuche. Mir ging es darum, wertschätzend und gleichzeitig kritisch sein zu können, und zu versuchen, das schreibend hinzubekommen.
Ein komplexes Thema und Kritik an meiner Arbeit ist, dass ich nur mit schriftlichen Materialien gearbeitet habe und keine Interviews mit Aktivistinnen der Gruppe, also Zeitzeuginnen gemacht habe. Ich habe es zeitlich damals nicht geschafft. Es gibt über 30 Ordner, die ich durchgeschaut habe, und nebenbei habe ich auch anderweitig/zu Erwerbszwecken gearbeitet. Später wurde dann ein kleines Interviewprojekt vom Spinnboden mit LAZ-Aktivistinnen gemacht, was jetzt auch verfügbar ist. Natürlich bleibt in meiner Arbeit dadurch eine Art Distanz und eine ganz klare Perspektive einer nicht dabei gewesenen Person.
Potenzial eines Bewegungsarchivs
Schön finde ich persönlich, dass ich mit dem Archivmaterial auch verstecktere Perspektiven herausstellen konnte, die vielleicht nur kurz in der Gruppe vertreten waren oder in einer kleineren Fraktion und heute weniger wahrgenommen werden. Einfach auch, weil solche politischen Gruppenprozesse vielschichtig und komplex sind. Dabei gehen Details schnell verloren. Zum Beispiel spielte das Thema Klasse und Alter eine Rolle, irgendwann waren vorwiegend junge Studentinnen in der Gruppe, am Anfang aber auch noch Angestellte aus der Subkultur.
Diese Verschiebung hin zu einer akademisch dominierten Gruppe stieß auf Widerstand – zum Beispiel von Mitgliedern der Gruppe L74, die sich 1974 gründete. Außerdem gab es in den Anfangsjahren nach Ilse Kokula, einer damaligen Aktivistin, Transfrauen und bisexuelle Frauen in der Gruppe, die später ausgeschlossen wurden, obwohl das gar nicht alle befürworteten. Einige wollten eine möglichst offene Gruppe, kritisierten später auch Teile des lesbischen Separatismus oder eben die Diskriminierung von lesbischen Transfrauen und bisexuellen Frauen in Teilen der lesbischen Szene. Und das sind ja Themen, die sind klar auch heute relevant in der lesbisch_queeren Community: Wo werden Ausschlüsse erzeugt und wo wird strukturelle Diskriminierung fortgesetzt?
Ganz besonders spannend fand ich auch den Fokus der Gruppe auf Antikapitalismus und das Imaginieren (bzw. teilweise auch Realisieren) alternativer Lebens- und Arbeitszusammenhänge. Davon gibt es meiner Meinung nach auch heute weiterhin viel zu lernen.
Buch: Lara Ledwa, „Mit schwulen Lesbengrüßen. Das Lesbische Aktionszentrum Westberlin (LAZ)“, erschienen im Psychosozial Verlag, 2019, erhältlich im Buchhandel für 19,90 Euro.
Lara Ledwa, geboren 1990, hat Gender Studies an der HU Berlin studiert und arbeitet seit kurzem auch im Spinnboden Lesbenarchiv & Bibliothek Berlin. Ihre Interessen in Forschung und Aktivismus sind queere_feministische_lesbische Themen und die Möglichkeiten von solidarischen Bündnissen, um kritische, transformative Räume zu erzeugen, in die sich viele eingeschlossen und eingeladen fühlen, die sonst eher an den Rand gedrängt werden.